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So führen Sie ein aussagekräftiges Auswahlgespräch

So gehen Sie das Auswahlgespräch an

Bereiten Sie sich auf den Termin gut vor (siehe dazu gerne meinen Blog „So bereiten Sie sich auf das Gespräch mit Kandidat:innen vor“).

Für die Auswahl empfehle ich Ihnen eine wertschätzende „archäologische Grundhaltung“, denn das bisherige Leben, die Erfolge und Misserfolge haben höchste Aussagekraft in Bezug auf die in Ihrem Unternehmen zu erwarteten Leistungen. Um die richtigen Informationen für Ihre Einstellungsentscheidung zu erhalten, wollen Sie allerdings hinter die Fassade des Lebenslaufes und der Unterlagen des/der Kandidat:in schauen.

Auch Sie bewerben sich!

Sie wollen dem/der Kandidat:in ein realistisches Bild vermitteln, was er/sie bei Ihnen erwarten kann. Es ist deshalb sinnvoll, direkt zu Beginn des Gespräches kurz die firmenseitigen Teilnehmenden am Gespräch und deren Position vorzustellen. Und sich dann ausführlich als Unternehmen, Arbeitgeber und mit den vorhandenen Stärken und Schwächen zu präsentieren und dabei auf die Spezifika der Position einzugehen.

Ein „rosarotes“ Bild von Ihrem Unternehmen ist nicht realistisch und in Zeiten von sozialen Medien auch nicht durchzuhalten. Sie helfen dem/der Kandidat:in zu einer guten Entscheidung und setzen damit die Grundlage für eine offene, ehrliche und hoffentlich lange produktive Arbeitsbeziehung. Aus den gestellten Fragen zum Unternehmen und der Stelle erkennen Sie hier auch schon den Grad der Ernsthaftigkeit der Bewerbung.

Das aussagekräftige Gespräch mit dem/der Kandidat:in

Bewährt hat sich das Vier-Augen-Prinzip: immer zwei Interviewer, wobei einer sich in den Fragen mehr auf das Fachliche, der andere sich mehr auf den Menschen konzentriert. Es vereinfacht das Beobachten und Notieren von Stichpunkten, wenn man sich beim Zuhören nicht schon über die Folgefrage Gedanken machen muss. Außerdem steigt die Qualität der Einschätzung erheblich, wenn Sie sich danach zu ihren beobachteten Punkten austauschen können.

Mit guten Fragen zeigen Sie, dass Sie den/die Kandidat:in ernst und wichtig nehmen – und Sie wollen ihn/sie ja wirklich kennenlernen und nicht nur an der Oberfläche kratzen.

Steigen Sie dann z.B. mit folgenden Fragen ein:

Mit welchen Gedanken sind Sie heute zu uns gekommen?“ – das ist ein guter Einstieg zu Beginn des Gespräches, um zu sehen, welche Erwartung und Ensthaftigkeit besteht. Wenn da zu allgemeine Antworten kommen, ergänzen Sie gerne mit

Warum bewerben Sie sich bei uns?“ Da finden Sie heraus, ob er/sie wirkliches Interesse hat.

Erzählen Sie etwas zu sich, insbesondere, warum Sie die bisherigen Entscheidungen in Ihrem Berufsleben getroffen haben.“ – also nicht nur, was jemand gemacht hat, sondern WARUM er/sie sich so entschieden hat. Wenn der/die Kandidat:in noch im ungekündigten Arbeitsverhältnis ist, hinterfragen Sie besonders die Motivation, zu Ihnen zu wechseln.

Als Fragetechnik hat sich die STAR-Methode bewährt. Das englische Akronym STAR steht für Situation, Task, Action, Result, also übersetzt Situation, Aufgabe, Handlung, Ergebnis.

Nehmen wir an, der Mitarbeitende wird im Kundenkontakt sein. Kundenorientierung ist also eine wichtige Eigenschaft. Stellen Sie z.B. in dieser Reihenfolge folgende Fragen:

  • „Was war in Ihrer letzten Position eine besonders schwierige oder herausfordernde Situation mit einem Kunden?“ (Situation). Der/die Kandidat:in wird Ihnen ein Beispiel nennen. Wenn da nicht sofort eine Antwort kommt, halten Sie die Pause aus und warten Sie.
  • Fragen Sie dann „was wollten oder sollten Sie mit dem Kunden in der Situation erreichen?“ (Task/Aufgabe).
  • „Was haben sie konkret unternommen?“ (Action/Handlung).
  • „Was war das Ergebnis?“ (Result/Ergebnis)

Mit dieser Methode können Sie alle Fragen zu den Eigenschaften des/der Kandidat:in stellen und Sie werden auf diese Art zahlreiche Informationen erhalten, die Sie dann wieder mit dem Anforderungsprofil abgleichen können. Sie werden auch merken, ob die Antworten sich ehrlich anfühlen, denn das glaubwürdige Erfinden entlang dieser Fragekette ist praktisch unmöglich.

Das Anschreiben zur Bewerbung ist übrigens auch eine interessante Quelle für Fragen nach der STAR-Methode, da Kandidat:innen dort oft viele Eigenschaften nennen, die sie auszeichnen sollen.

Vertiefen Sie noch mit einigen der folgenden Fragen:

Wie würde Sie Ihr bester Freund (oder Freundin/Partner/Vater etc.) beschreiben?“ – die Standard-Frage nach Stärken / Schwächen finde ich langweilig; durch diese Frage kommen oft andere Erkenntnisse dazu. Wenn Sie da nur Positives hören, ergänzen Sie es gerne mit: „wenn ihr beste/r Freund:in Ihnen eine Sache sagen würde, die ihn/sie an Ihnen richtig stört, was wäre das?“

„Wie sieht Ihr idealer Arbeitstag aus?“ – dadurch sollten Sie interessante Einblick in Arbeitsverständnis, Neigungen und Zielorientierung bekommen.

Welcher Ihrer bisherigen Führungskräfte war der/die Beste und warum?“ –  wird Kritisches zu früheren Arbeitgebern gesagt? Sie finden heraus, ob man es dem/der Kandidat:in überhaupt recht machen kann…Und es ist eine gute Frage für Führungskräfte, um über Führung zu reflektieren.

„Was machen Sie, wenn Sie nicht arbeiten?“ – wichtig, um noch mehr vom Menschen kennenzulernen.

Was fällt Ihnen leicht?“ – das ist eine ähnliche Frage wie die obige Frage zu den Stärken aus Sicht von Freunden. Ich stelle diese Frage gerne, weil eher unerwartet und oft ein interessanter Abgleich zur ersten Antwort.

„Können Sie eine Situation nennen, in der Sie trotz bestem Bemühen grandios gescheitert sind?“ – Sie erkennen, wie mit Fehlern umgegangen wird und spüren Offenheit / Ehrlichkeit oder nicht. Auch: „Wann haben Sie zuletzt zu jemand Entschuldigung gesagt?“

„Wenn Sie plötzlich so viel Geld hätten, dass Sie nicht mehr arbeiten müssen, was würden Sie tun? – für einen schönen Einblick in Charakter & Persönlichkeit

 „Wie stellen Sie sich die ersten Monate bei uns vor?“ – da merken Sie, wie sehr sich der/die Kandidat:in bereits mit der Rolle identifiziert und wie aktiv er/sie das Ganze angehen würde.

„Nehmen wir an, wir stellen Sie ein und Sie kündigen dann während der Probezeit – was ist passiert?“ – Sie erkennen, was dem/der Kandidat:in wichtig ist, Werte, Überzeugungen und vielleicht bestehende Vorbehalte gegenüber Ihrem Unternehmen.

Spätestens jetzt möchten Sie wissen, welche Fragen er/sie hat. Zum Ende des Gespräches stellen Sie gerne noch folgende Fragen, um das Bild abzurunden:

„Was meinen Sie, welchen Eindruck haben Sie heute auf uns gemacht?“ „Warum sollten wir uns für Sie entscheiden?“ „Was müssen wir als Firma tun, um Sie langfristig motiviert zu halten?“

Mit diesen Fragen werden Sie wirklich viel über Kandidat:in und die Passung zu Ihrem Unternehmen herausfinden. Bitte gestalten Sie es nicht als Kreuzverhör, sondern als ein wertschätzendes, vertieftes Kennenlernen auf Augenhöhe, damit am Ende Beide eine gute Entscheidung treffen können.

Übrigens: das Pareto-Prinzip gilt: wenn Sie in die Fragen einsteigen, sollten Sie nicht mehr als 20% sprechen, der/die Kandidat:in mindestens 80%.

Prüfen Sie Referenzen

Nun wollen Sie wirklich sichergehen, bevor Sie die Entscheidung treffen. Die Vergangenheit hat ja höchste Aussagekraft zur zukünftigen Leistung und da sollten Sie ansetzen. Sicherlich können Arbeitszeugnisse einige hilfreiche Informationen enthalten, aber es ist der Weg an die Quelle – nämlich an die früheren Arbeitgeber (bzw. bei Berufsanfängern Lehrende/Professor:innen) – der Ihnen die wertvollsten Informationen bringt. Und schon allein die Reaktion auf die Frage nach Auskunft durch frühere Arbeitgeber bringt Ihnen schon oft sehr interessante Einsichten…. stellen Sie also gegen Ende des Gespräches immer die Frage: „Welche Ihrer ehemaligen Arbeitgeber können am besten zu Ihnen Auskunft geben?“

Wie Sie mit dieser Information umgehen und wie Sie weitere wichtige Informationen für Ihre Entscheidung erhalten, erfahren Sie in meinem Blog „So validieren Sie Ihre Eindrücke aus dem Auswahlgespräch.“